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Es ertönt ein schrilles akustisches Signal, ähnlich dem Alarm eines Weckers, und augenblicklich zucken alle Schüler zusammen. Die plötzliche Lautstärke durchbricht die angespannte Stille im Raum und markiert den Beginn einer Szene, die das Publikum erschaudern lässt und die sich noch oft wiederholen soll: Woyzeck, gezeichnet von seinem verzweifelten Kampf gegen eine kalte und unmenschliche Welt, kriecht zu seinem Behältnis mit den Erbsen. Er schlingt sie in ekelerregender Weise hinunter und spuckt sie halb zerkaut wieder zurück – ein Bild des Elends, das Mitleid erregt und das Publikum fassungslos innehalten lässt. Die berüchtigte Erbsendiät wird nicht nur gespielt, sondern spürbar gemacht. Die Schüler im Publikum leiden wahrhaft mit.

Doch nicht nur die eindrucksvolle Darstellung der Hauptfigur, sondern auch die gesamte Inszenierung beeindruckt auf ganzer Linie. Ein einziger Schauspieler schlüpft in alle Rollen – vom Doktor über den Hauptmann bis hin zu Marie, welche durch Puppen dargestellt werden. Dabei gelingt es ihm meisterhaft, jeder Figur eine eigene Identität zu verleihen. Durch minimale Gesten, subtile Stimmveränderungen und eine beeindruckende Körpersprache der Puppen erschafft er ein facettenreiches Schauspiel.

Die intime Atmosphäre trägt ebenfalls zur Intensität des Erlebnisses bei. Das Publikum sitzt nah am Bühnenbild, welches in einem Klassenzimmer aufgebaut wurde. Dadurch entsteht eine beklemmende Nähe zu den Ereignissen. Immer wieder sucht der Schauspieler direkten Blickkontakt mit den Zuschauern, spricht sie gelegentlich sogar an. Es gibt keinen Raum für Distanz – man wird in das Geschehen hineingezogen, erlebt Woyzecks Verzweiflung, seine psychische Zerrüttung, seinen tiefen Fall. Das Bühnenstück zeigt eindrucksvoll, wie ein Mensch von einer gnadenlosen Gesellschaft in den Wahnsinn getrieben wird.

Je näher der große Showdown rückt, desto intensiver wird die Spannung. Man kann die Anspannung im Raum beinahe greifen – alle halten gebannt die Luft an. Was wird zwischen Woyzeck und Marie passieren? Und dann der Höhepunkt: ein Moment der Stille und Fassungslosigkeit. Kein Wort, kein Murmeln, nicht einmal ein leises Rascheln ist zu hören.

Am Ende schließlich bricht der Schauspieler selbst das Schweigen: „Ich weiß, es ist kein Stück zum Applaudieren, aber jetzt ist es vorbei." Und gerade diese Worte setzen eine Reaktion in Gang. Das Publikum zögert kurz, dann bricht ein tosender Applaus aus. Die schauspielerische Meisterleistung wird gefeiert, die Begeisterung ist unüberhörbar.

Im anschließenden Gespräch bietet der Schauspieler spannende Interpretationsansätze zum Stück und gibt interessante Einblicke in die Inszenierung. Ein amüsantes Detail: Auch er selbst kann Erbsen im echten Leben nicht ausstehen. Die Schüler zeigen sich begeistert, loben nicht nur das Theaterstück, sondern auch die intime Atmosphäre.

Diese Inszenierung von Woyzeck durch das THEATERmobileSPIELE, das für zwei Aufführungen an der „Bischi“ extra aus Karlsruhe angereist war, war weit mehr als ein bloßer Theaterbesuch. Sie war ein intensives, ergreifendes Erlebnis, das noch lange nachhallen wird.

 

Text & Fotos: Anja Gnann

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