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Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Biberach

Im Rahmen der Heimattage Baden-Württemberg 2023 erarbeiteten Schüler des Bischof-Sproll-Bildungszentrums über das letzte Halbjahr hinweg die Vergangenheit des ehemaligen russischen Friedhofs, der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter. Ziel war es, die Geschichte der auf dem Friedhof begrabenen Menschen möglichst persönlich erlebbar zu machen und, trotz der derzeit schwierigen Zeiten, zu versöhnen.

Gegen Ende des letzten Schuljahres begann das sogenannte „sowjetische Friedhofsprojekt“ in Zusammenarbeit mit der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi in den damaligen 10. Klassen des Gymnasiums am Bischof-Sproll-Bildungszentrum. Zusätzlich meldeten sich acht Schüler dieser Klassen freiwillig, um sich federführend an diesem Projekt zu beteiligen und es gewissermaßen gemeinsam mit ihrem Lehrer zu leiten. Diese Schüler besuchten daher zum Sammeln weiterer Informationen und, um das Projekt weiterzubringen, des mehrfachen das Stadtarchiv Biberach. In diesem blätterten sie durch die verschiedenen Akten, welche inhaltlich die damaligen Kriegszeiten thematisierten und die Geschichte des Friedhofes wiedergaben. Viele dieser Akten wurden bereits vor einigen Jahren von jeweils Berthold Seeger, Reinhold Adler und Schülern der damaligen Geschichts-AG der Dollinger-Realschule erstellt. Aufbauend auf deren Projekt „Gebt den Namenlosen ihre Namen wieder!“, in welchem sie, wie der Name es schon vermuten lässt, die Namen fast aller 614 auf dem Friedhof begrabenen Menschen herausfanden, war eins der Ziele der Bischof-Sproll-Schüler mit dem Motto „Gebt den Toten eine Stimme!“ ihre Geschichten erlebbar zu machen und aufzunehmen. Andere Ziele bestanden darin, verschiedenste Statistiken zu bearbeiten, einen Zeitstrahl des Friedhofs anzufertigen und das Projekt im Rahmen der Versöhnung zu rechtfertigen. Im Laufe der Zeit sammelten sie verschiedenste Daten, wie Namens- und Geburtslisten, Gräberlisten und auch Briefe damaliger Zeiten. Viele Gefangene waren junge Zivilpersonen, die als Zwangsarbeiter/ -innen nach Biberach und Umgebung kamen. Hier übernahmen sie meist körperlich schwere Arbeiten, wie die Arbeit in Fabriken, als Bauer und mehr. Der Alltag war selbstverständlich anstrengend, das Essen reichte nicht immer, die Kleidung passte nicht zu den Jahreszeiten und um die zehn Stunden am Tag mussten sie schuften. Wobei es auch ein paar wenige Zwangsarbeiter, hauptsächlich Zwangsarbeiterinnen, gab, die ihre Zeit hier in Biberach genossen. Der überwiegende Teil verstarb jedoch.

Mit diesen Informationen stellten sie ihren Klassenkameraden das Projekt nochmals vor, da die gesamte Klassenstufe sich an zwei Projekttagen um die Erfüllung der Ziele kümmern sollte. So schrieben die einen fiktive Geschichten anhand von realen Daten zu bestimmten Personen, welche später in andere Sprachen, wie Englisch, Russisch oder Ukrainisch, vertont wurden. Die anderen filmten ein Video zur Rechtfertigung und den Bedenken des Projekts, welches den Sinn des Projekts erneut wiedergab, denn mit dem derzeitigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine, ist es wichtig, die Geschehnisse damals von den Geschehnissen heute zu differenzieren.

Schlussendlich sollten die acht Schüler das Projekt am 21. Oktober im Rahmen der Heimattage zusammen mit dem Kulturdezernat und Pax Christi vor Publikum vorstellen.
Damit neigte sich ihre Arbeit zum Ende hin.
Geplant war zusätzlich noch in naher Zukunft die Ergebnisse auf einer neu erstellten Website zu veröffentlichen, damit jeder Zugriff auf diese hat und die Geschichte nicht verloren geht.

 

Geschichte des Friedhofs

Der ehemalige „russische“ Friedhof, nun korrekterweise der sowjetische Friedhof, befindet sich in der Memminger Straße, neben dem evangelischen Friedhof.

Gegen 1949/1950 wurden durch die französische Besatzungsmacht die heute auf dem Friedhof begrabenen 614 verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen umgebettet. Der Friedhof wurde errichtet. Anfangs kennzeichnete man die Gräber lediglich durch Pflöcke mit Nummern. Ein Todgedenken erhielten sie zu dem Zeitpunkt nicht, dies geschah erst 33 Jahre später. Ebenfalls seit den frühen 80ern plante Pax Christi in der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit dem damaligen Geschäftsführer Berthold Seeger, sich mir der Sowjetunion, Polen und anderen osteuropäischen Ländern zu versöhnen. Infolgedessen veröffentlichten der Lehrer Reinhold Adler und Schüler Joachim Guderlei eine Arbeit über den Friedhof mitsamt seiner Vorgeschichte. Die Ermittlung zur Namenssuche der Verstorbenen begann unter dem Motto „Gebt den Namenlosen ihren Namen wieder!“, geleitet durch die Geschichts-AG der Dollinger Realschule. In der Zwischenzeit wurde der Friedhof 1986 durch den Metropolit Pitrim mit Gottesdienst gesegnet. In den vier Folgejahren hielt man jedes Jahr eine sogenannte „russische Woche“ mit kulturellen Angeboten ab. Zu dieser Zeit besuchte auch Erzbischof Melchisedesk den Friedhof.

Im Jahr 1989 berichtete die sowjetische Tageszeitung „Iswestija“ vom Fortschritt des „Russenfriedhofs“, woraufhin bereits einige Namen veröffentlich wurden. Durch diesen Artikel erfuhren verschiedenste Familienangehörige, dass ihre verstorbenen Verwandten in Biberach begraben sind, weswegen ein Familienangehöriger die Gräber seiner Onkels besuchen kam.

1991 war es dann soweit, 570 Tote erhielten offiziell in einem ökumenischen Gottesdienst ihre Namen zurück. Jeder Holzpfahl an den Gräbern wurde mit einer durch Spenden finanzierten Plakette ersetzt.

Im Zeichen der Versöhnung und des Friedens war das damalige Projekt erfolgreich, so wie es auch heute ist.

Text: Iryna Sakharuk (GymJ1)
Fotos: Johannes Gresser

 

Gedenkwochenende zum Friedhof für sowjetische Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene - Heimattage Biberach 2023 (heimattage-biberach.de)

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